Ich verstehe auch nicht die Argumentation, den Smart hier in Deutschland auf 4,6 KW zu "kastrieren"
Das hat nicht direkt was mit dem smart oder Elektroautos überhaupt zu tun. Es geht hierbei um die Regelungen, welche für alle elektrischen Geräte gilt. Das Stichwort hierzu heißt "Schieflast". Die ist grundsätzlich durchaus ein Thema und die Regelung dazu grundsätzlich auch sehr vernünftig.
Dabei geht es nicht direkt um den Hausanschluss oder seine Sicherungen und Schieflast hat auch nichts mit Privat-Bereichen alleine zu tun. Die gilt auch für's Gewerbe.
Ich versuche das mal bisschen zu umreißen:
Drehstrom an sich erkläre ich nicht nochmal ausführlich, da ich das bereits auf meiner Webseite gemacht habe: Gleichstrom, Wechselstrom und Drehstrom
.. am besten von oben runter lesen, mit dem Gleichstrom beginnend. Das baut mehr oder minder aufeinander auf und hilft dem Verständnis. Sind schöne Bilder dabei.
Eine weitere Veranschaulichung gibt es, wenn man sich anguckt, warum der 4,6 kW Lader nur 3,7 kW lädt, wenn man an einer 11 kW Wallbox lädt. Gibt's in meinem FAQ nachzulesen, aber diese Grafik sollte das schonmal recht gut veranschaulichen:
Schieflast.png
Nun ist uns schonmal klar, dass das Stromnetz nicht gleichmäßig belastet wird, wenn wir nur 1-Phasig laden. Aber genau das macht der 4,6 kW / 7,2 kW Lader. (Also nur auf einer Phase laden)
Logischerweise können wir nun aber nicht jeden Staubsauger und jede Raumbeleuchtung mit einem 3-Phasigen Anschluss (das ist effektiv nicht anderes als Drehstrom / Starkstrom) versehen, das stünde einfach nicht mit dem Ergebnis im Verhältnis.
Darum hat ein Elektriker zB die Aufgabe eine Hausinstallation so zu machen, dass wir im Alltag die 3 Phasen möglichst gleichmäßig belastet. Da legt er zB den Geschirrspüler auf eine andere Phase als den Trockner und das Bad (wegen dem Fön) auf die dritte Phase. (Kann er auch anders machen, dient jetzt hier zur Veranschaulichung).
Ein Beispiel aus dem Elektroautoalltag:
3 Ladestationen mit jeweils 3,7 kW. Die erste Station holt die 3,7 kW von der 1. Phase, die zweite von der 2. Phase und die dritte von der 3. Phase.
Randinfo:
Die 1. Phase nennt man L2, die 2. Phase L2 und die 3. Phase L3.
Wiederum größere Stromverbraucher, wie ein Herd, der Backofen oder auch der Nachtspeicher sind 3-Phasig, wenn sie mehr als 4,6 kW brauchen (genau genommen ist das Limit bei 20A, nicht 4,6 kW). So wird das Stromnetz gleichmäßig beansprucht und nicht durch Großverbraucher verzerrt.
Das Verzerren, bzw das einseitige Leistung ziehen, das ist die Schieflast. Weil die Last "ungleichmäßig / schief" aus dem Stromnetz geholt wird.
Das Stromnetz gleichmäßig zu beanspruchen hat viele Vorteile, mehr als ich Euch aufzählen kann. Aber hier mal die wichtigsten:
• Logisch, wenn eine Phase am Anschlag ist und die andere unbenutzt, ist das "Verschwendung" (sinnbildlich, nicht tatsächlich)
• Die Spannungsdifferenz zwischen der stark beanspruchten Phase zu einer nicht beanspruchten kann zu hoch werden, sodass 3-Phasige Verbraucher nichtmehr richtig funktionieren oder auch 1-Phasige Verbraucher abschalten, weil die Phase zu stark absackt (Spannung sinkt).
• Wenn alle nur eine Phase beanspruchen würden, dann wäre der Traffo am Ortsrand zwar ausgelastet und würde abschalten, obwohl eigentlich noch zwei Drittel der Leistung verfügbar waren.
• Die Kraftwerke können nur 3-Phasig die Leistung hoch und runter fahren. Sie können nicht zB auf der 1. Phase 3 MW raus schieben, während auf den anderen beiden nur 1 MW geliefert wird.
Um eben sicher zu stellen, dass das Netz gleichmäßig ausgelastet ist, hat man einen maximalen Strom für einzelne (elektrische) Verbraucher gesetzt. In Deutschland ist das, nach der VDE, ein Strom von 20 A. Der resultiert dann in den 4,6 kW.
In der Schweiz und Österreich ist er sogar noch geringer, dort sind es nur 16 A (3,7 kW). Wiederum in England haben die Privathäuser meist ehh nur eine Phase, darum gibt's da kein Limit (in dieser Art). Dafür ist bei denen dann auch nit ein Drittel der Leistung am Haus verfügbar. Die müssen daher je nachdem dann trotzdem mit < 7,2 kW laden, weil der Hausanschuss sonst nicht mit macht, auf der Phase ist ja dann das ganze Haus.
(.. und die USA / Kanada lassen wir nun weg. Die haben ja nichtmal 230 V, bzw haben sie schon, aber eigentlich auch nicht... egal.)
Und um jetzt den Bogen wieder zurück zum smart zu bekommen:
Früher, als ich selbst auch noch neu in der Elektromobilität war, hatte das so noch keinen interessiert. Der alte BMW i3 lud damals (gegen Aufpreis) mit 7,2 kW (und CCS). Asiaten hatten damals auch keinen Schmerz mit 7,2 kW laden, der alte Fiat 500e (USA) lud mit 6,7 kW. Der alte Tesla Roadster (2009 - 2012) lud 1-Phasig sogar mit bis zu 16,5 kW.
Es ist aber heute (wie damals) nicht erlaubt. Eben wegen der oben aufgeführten Gründe. Und es gibt auch vereinzelt (aber sehr selten nur) Ladesäulen, welche das sogar erkennen und dann auch auf 20 A limitieren. (In München hatte da ein Leser mal was gemeldet) Um allen Regeln zu entsprechen, hat smart das Ladegerät auf 4,6 kW limitieren müssen. Spaß hat das denen natürlich auch keinen gemacht. Aber Regeln sind Regeln.
Und weil in der Schweiz und Österreich sogar nut 3,7 kW erlaubt sind, bieten sie das Ladegerät dort garnicht an. Deshalb ist der 22 kW Lader dort sogar serie. In England ist er es übrigens mittlerweile auch.
Das der aktuelle 22 kW Lader auch keine elektrotechnische Sahneschnitte ist, hatte ich ja an anderer Stelle schonmal ausgeführt. Das war ja auch ein Thema für sich. Aber er hatte 2017 eben Preislich Vorteile und sah interessant aus.
Auch smart wird zu CCS übergehen müssen und dann werden 3,7 kW - 3-Phasige 11 kW kommen. So wie bei jedem anderen Hersteller heut schon. Aber das ist ein Thema für sich.
.. Du siehst schon, das Thema 4,6 kW oder gleich 7,2 kW ist leider nicht so einfach, wie wir das gerne hätten.
.. und die 7,2 kW vom EQC sind auch nochmal anders. Das sind tatsächlich zwei 3,7 kW Ladegeräte, eins auf L1 und eins auf L2. VW macht das mit dem Golf und dem eUP! auch so, hat Vorteile, wenn man auch außerhalb von Europa verkaufen möchte..
Die 22KW-Lader machen doch genau das. Wenn man damit im Haushaltsbereich einphasig lädt, KANN man 7,2 KW laden,
.. stimmt. Das ist einfach nur dumm, dafür habe ich auch keine Erklärung. Ich verstehe es nicht. Das war eines der ersten Dinge, welche ich mit meinem ausprobiert hatte, als ich ihn 2018 neu hatte. Der lädt ersthaft 1-Phasig > 32 A.
Besonders komisch, wenn man weis, dass der 451er ED mit 22 kW das technisch auch kann, sie aber ein Softwarelimit rein gemacht haben, dass er 1-Phasig nur mit maximal 3,7 kW lädt. Erst wenn er 2 oder 3 Phasen hat, lädt der mit > 16 A.
.. auch smart denkt nicht immer alles fertig. Und andere Renault macht bis heute auch > 16 A, selbst wenn's 1-Phasig ist. Das macht es aber deswegen nicht legaler.
Einziger Trost ist, dass Elektroautos wenigstens eine Konstante Last sind. Das hat Vorteile, da sie nicht zb. pulsartig alle 15 min die Phase in den Keller ziehen und dann wieder damit aufhören.. aber Schieflast der Elektroautos ist darum trotzdem nicht besser.
Nachtrag:
Ich habe das Thema mittlerweile auch ins EQpassion Wiki aufgenommen - Schieflast